Stella Goldschlag

Ein wahre Geschichte. Vorwort von Christoph Heubner

Von Wyden, Peter

Steidl, 2019. 384 S. 208 mm, GEB Maße: 14.5 x 22.1

ISBN: 978-3-95829-608-4

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Übersetzung: Strasmann, Ilse

Peter Wyden schrieb die Geschichte eines Opfers, das zum Täter wurde. Stella war seine Mitschülerin, Jüdin, intelligent und beliebt. Im Gegensatz zu ihm, er war auch Jude, hatte sie keine Gelegenheit, Berlin zu verlassen, als die Nazis die Macht ergriffen. Sie tauchte unter, wurde entdeckt, verhaftet und gefoltert. Schließlich war sie bereit, im Untergrund lebende Juden an die Gestapo zu verraten. Nach dem Krieg zu jahrelanger Haft verurteilt, lebt sie heute zurückgezogen in einer deutschen Kleinstadt. Peter Wyden hat sie ausfindig gemacht und mit ihr gesprochen.

Stella Goldschlag war blond, schön und schlagfertig. Sie war intelligent und vielseitig begabt und zu einer anderen Zeit, in einem anderen Land hätte sie wohl eine glänzende Karriere gemacht. Doch Stella war Jüdin und lebte in Deutschland. Ihre Eltern hatten es nicht geschafft, rechtzeitig auszureisen. Die Katastrophe trat ein, als Stella verhaftet und von der Gestapo gefoltert wurde. Um ihre Eltern vor der Deportation zu bewahren, erklärte sie sich bereit, versteckt lebende Juden an die Gestapo zu verraten. Ihre Eltern konnte sie nicht retten, und doch machte sie bis Kriegsende weiter, immer mörderisch effizient.

Peter Wyden, geboren 1923 als Peter Weidenreich in Berlin, ist mit Stella Goldschlag zur Schule gegangen, und war, wie fast alle Jungen dort, in sie verliebt. Dass sie das "blonde Gift" wurde, die Greiferin, die hunderte Juden in den Tod geschickt hatte, erfuhr er, als er 1946 als junger US-Soldat nach Berlin zurückkehrte. Ihr Schicksal ließ ihn nicht los. Jahrelang recherchierte er für seine Biografie, sichtete Archivmaterial und sprach mit mehr als 150 Personen: Überlebenden, Augenzeugen, Historikern und Psychologen. Und er sprach mit Stella, die bis 1994 in Westdeutschland im Verborgenen lebte.

Peter Wyden versteht es, uns die Tragödie der letzten Juden von Berlin nahezubringen. Er urteilt nicht und er entschuldigt nicht. Er erzählt eine wahre Geschichte.

Es lag nahe, dass Stella Goldschlag und Lieselotte Streszak, die so vieles verband, in jenem Jahr des großen Blutvergießens Freundschaft schlossen. Stella war siebzehn, Lilo sechzehn. Beide waren hübsch, von den Jungen umschwärmt, jüdisch und wurden von ihren bürgerlichen Eltern abgöttisch geliebt. Beide wuchsen im behaglichen Berliner Mittelstandsbezirk Wilmersdorf auf.

Die Zeiten waren jedoch alles andere als behaglich. Es war der Herbst des Jahres 1939, und Hitler hatte soeben den Zweiten Weltkrieg entfesselt. Auf seiner Liste der Feinde standen die Juden ganz oben, und für jüdische Jugendliche gab es gesellschaftliches Leben nur in ihren letzten Refugien, den Wohnungen ihrer Eltern.

So traf sich an Sonntagnachmittagen eine Gruppe von jungen Leuten in der Wilmersdorfer Wohnung des jüdischen Kaufmanns Kurt Kübler in der Mommsenstraße, wo sie tanzten, flirteten und sich unterhielten. Der Sohn des Hauses, Manfred Kübler, wurde Stellas fester Freund. Dort begegneten sich Lilo und Stella und fühlten sich schnell zueinander hingezogen.

Als sich das Kriegsglück gegen Hitler zu wenden begann und seine Obsession, alle Juden zu vernichten, im Wahnsinn der Todeslager gipfelte, besorgten sich beide Mädchen falsche Papiere und lebten heimlich und illegal im Verborgenen; sie verloren sich aus den Augen, bis sie sich im Februar 1944 zufällig trafen, als sie beide vor einem Milchladen in ihrem alten Viertel um Milch anstanden.
Lilo schrak zusammen. Die Berliner "U-Boote" - im Untergrund lebende Juden - standen über den Mundfunk immer noch untereinander in Verbindung und übermittelten sich lebenswichtige Nachrichten, und Lilo hatte ein haarsträubendes Gerücht gehört. Von ihrer alten Freundin Stella wurde behauptet, sie sei von der Gestapo "umgedreht" worden. Es hieß, sie habe eingewilligt, Juden zu verraten, sie aufzuspüren und sogar festzunehmen.

Lilo konnte sich das einfach nicht vorstellen, so beruhigte sie sich in dem Milchladen schnell, als Stella lächelte und sich über das Treffen mit der Freundin nur zu freuen schien. Die beiden jungen Frauen plauderten eine Weile und verabredeten dann, in Kontakt zu bleiben, und Lilo schob die ungeheuerliche Möglichkeit von sich, dass ihre Busenfreundin fahnenflüchtig und eine Verräterin geworden sein könnte.

Zehn Tage später erschien Stella an Lilos Wohnungstür. Jetzt lächelte sie nicht mehr. Ein junger Mann in Zivil stand drohend hinter ihr, aber es war Stella, die sprach.
"Es tut mir leid, Lilo", sagte sie. "Ich muss dich auf Befehl der Gestapo verhaften. Mach keine Geschichten, keinen Fluchtversuch, sonst muss ich von der Schusswaffe Gebrauch machen."



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