Katastrophen

Eine Kulturgeschichte vom 16. bis ins 21. Jahrhundert

Von Walter, Francois

Reclam, 2010. 385 S. 19,5 cm, Gebunden

ISBN: 978-3-15-010699-0

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Mitarbeiter: Übersetzung: Butz-Striebel, Doris u. Lejoly, Trésy

Naturkatastrophen - Erdbeben, Vulkanausbrüche, Fluten, Stürme, Erdrutsche - sind das schlechthin Sinnlose, das dem menschlichen Geist begegnet und immer unfassbar bleibt. Katastrophen haben keine Geschichte. Unwandelbar, unabwendbar, unberechenbar brechen sie durch die ganze Naturgeschichte hindurch über die Menschheit herein und bleiben unbegreiflich. Kann man aus ihnen lernen? Und wenn ja, was?
Menschen haben unter Aufbietung aller intellektuellen Kräfte immer auf das Erlebnis von Naturkatastrophen reagieren müssen, sie haben immer versucht, doch einen Sinn zu finden: Strafe Gottes, Prüfung der Gottesfürchtigen oder der Gerechten, Ansporn zur Aufbietung aller dem Menschen möglichen Entwicklung technischer oder moralischer Art.
Eine Geschichte der Katastrophenbewältigung, wie sie der Genfer Historiker François Walter schreibt, steht also weit jenseits von modischem Katastrophismus und schön gruseliger Heraufbeschwörung aller möglichen und unumgänglichen Apokalypsen. Sie erweist vielmehr, dass die Antworten des 16. oder 18. Jahrhunderts auf das Unbegreifliche nicht etwa wertlos oder unbedeutend sind, bloß weil die Naturwissenschaft ein paar Schrittchen weitergekommen ist: Auch der Tsunami zu Weihnachten 2004 bleibt sinnlos.
Allein die abgewogene historische Darstellung dieser Kulturgeschichte lehrt, Naturkatastrophen zu unterscheiden, mit ihnen umzugehen, und vor allem, von diesen Katastrophen die menschengemachten, keineswegs katastrophenmäßig unberechenbar hereinbrechenden Risiken ökologischen Wandels z. B. des Weltklimas im Treibhauseffekt abzugrenzen.

Aus dem Inhalt:
Vorwort Eine kulturgeschichtliche Perspektive
Die Lust an Katastrophen I Die alten Gesellschaften sind keine Katastrophengesellschaften (16.-18. Jahrhundert)
1 Eine Theologie der Geschichte
1.1 Das Deutungsmuster der Vorsehung
1.2 Katholiken und Protestanten
1.3 Strafen oder mahnen?
2 Mehrschichtiges Wissen
2.1 Von der Vorsehung zu den Wahrscheinlichkeiten
2.2 Das physikotheologische Deutungsmuster und seine Weiterungen
3 Die bildliche Umsetzung
3.1 Das Ende der Zeiten
3.2 Die Katastrophe als Schauspiel und als Metapher für die Gesellschaft II Wechselfälle der Natur und soziale Bedrohungen (von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg)
4 Lissabon und der Blitzableiter
4.1 Die Erfindung des Blitzableiters
4.2 Das Erdbeben, ein literarisches Motiv?
4.3 Von der Plage zur Katastrophe
5 Geißel Gottes oder Plage der Natur?
5.1 Was ist nur aus der Vernunft geworden?
5.2 Der Schock der Cholera
5.3 Die gesellschaftliche Funktion der Medien Von der Predigt zur Zeitschrift
Eine naturalistische Ideologie
Die Immoralität der Natur
6 Die prometheische Kultur
6.1 Die wissenschaftliche Einbildungskraft
6.2 Die Ästhetik der Katastrophe
6.3 Die neuen Risiken und ihre Vorwegnahme
7 Die Apokalypse des Ersten Weltkriegs
7.1 Die Zukunftserwartung um 1900
7.2 Der Krieg in der Kunst
7.3 Welches Volk hat Gott erwählt? III Die Gesellschaft des Risikos und des Ungewissen (von 1918 bis heute)
8 Das Jahrhundert der Weltendämmerung
8.1 Vom Alibi der Natur zu einer neuen Schuldzuweisung
8.2 Das Jahrhundert der Kriege und der Atomkraft Der Zweite Weltkrieg und das absolute Böse
Das Ende der Geschichte
9 Die neuen Risikokulturen
9.1 Vom Risiko des Einzelnen zur Risikogesellschaft
9.2 Tabu, Sünde und Risiko Religiosität und Heiligkeit
Eine hartnäckige Tendenz: die Wiederkehr der Deutungsmuster
9.3 Schutz, Prävention und Vorsorge
10 Die Pathologien der Hyperorganisation
10.1 Ein erneuter Wandel in der Wahrnehmung?
10.2 Die Ungewissheit bewältigen
11 Die Streuung der Ängste
11.1 Die Kunst der Katharsis
11.2 Neue globale Bedrohungen
11.3 Kritische Ökologie als Philosophie
12 Der Alarmismus hat Hochkonjunktur
12.1 Die neuen Propheten
12.2 Eine neue Schimäre
12.3 Aufgeklärter Katastrophismus
12.4 Die Spirale der Desaster
Schluss
Anhang
Anmerkungen
Im Text erwähnte Ereignisse
Literaturhinweise
Register
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