Jenseits der Ordnung?

Zur Mächtigkeit der Vielen in der Frühen Neuzeit

NEOFELIS, Neuausg. 2018. 340 S. 21 cm, KT

ISBN: 978-3-95808-157-4

32,00 €

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Herausgegeben von Behnstedt-Renn, Jan; Sawilla, Jan Marco; Schlögl, Rudolf

Die Zusammenkunft einer großen Zahl von Menschen an einem Ort war über weite Strecken der Frühen Neuzeit Teil einer Art der Vergemeinschaftung, die die jüngere Geschichtswissenschaft als "Vergemeinschaftung unter Anwesenden" auf den Begriff gebracht hat. Wenn sich beispielsweise bei einer Hinrichtung eine Menge Menschen einfand, dann diente diese nicht nur als Kulisse für einen Akt obrigkeitlichen Strafvollzugs. Vielmehr traten die Anwesenden selbst als Teil eines den Konsens aller erfordernden Zeremoniells in Erscheinung, das die Legitimität vorhandener Gewaltverhältnisse in der Kontinuität ihres Vollzugs immer wieder performativ befestigte. Dem entsprach, dass das spontane oder vorgeblich in Heimlichkeit vorbereitete 'Zusammenrottieren' vor dem Rathaus aus obrigkeitlicher Sicht als gravierende Störung des sozialen Lebens betrachtet wurde, durch das die tradierten und allseitig anerkannten Mechanismen des politischen Entscheidens mit unabsehbaren Folgen suspendiert zu werden drohten.

Jenseits der Ordnung? setzt sich mit den damit umschriebenen Spannungsfeldern und ihrer historischen Modifikation zwischen der Zeit der Reformation und der Französischen Revolution auseinander. Angesiedelt an der Schnittstelle zwischen Geschichts- und Literaturwissenschaft konzentriert sich das Buch darauf zu verfolgen, wann und wo den Vielen bereits deshalb, weil sie viele zu sein schienen, unterschiedliche Formen der Eigenwilligkeit oder Eigenmächtigkeit zugeschrieben wurden. In geographischer Hinsicht behandelt es Beispiele aus dem gesamten europäischen Raum. Konzeptuell gesehen schließt es einerseits an die sich in den letzten Jahren intensivierenden Diskussionen an, die sich um die politische Relevanz von Schwärmen, Meuten oder Multitudes herum entfaltet haben. Andererseits geht es darum, diese Debatten mit historischer Tiefenschärfe auszustatten. In diesem Sinn zielt der Band gerade nicht darauf, die bekannte Geschichte von der politischen Selbstermächtigung der Vielen zu befestigen. Orientiert an den Leitkategorien Gewalt, Steuerung, Repräsentation gilt es vielmehr zu verdeutlichen, dass die Geschichte der Vielen und ihrer Mächtigkeit immer auch die Geschichte solcher Einheiten war, die den normativen Grundlagen der Vergemeinschaftung Sichtbarkeit und Virulenz verliehen, ohne selbst allerdings in einer Ökonomie des Normativen aufzugehen.



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