Über den Prozeß der Zivilisation, 2 Bde.

Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Wandlungen des Verhaltens in den weltlichen Oberschichten des Abendlandes; Wandlungen der Gesellschaft, Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation

Von Elias, Norbert

Suhrkamp, 1997. 502, 601 S. 18 cm, Kartoniert

ISBN: 978-3-518-09934-6

30,00 €

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Das einflussreichste Buch von Norbert Elias war bei seinem Erscheinen, aber auch noch zu Beginn seiner breiteren Rezeption mehr als 35 Jahre später, gleich in mehrfacher Hinsicht bahnbrechend: Es setzte an die Stelle der vorherrschenden soziologischen Annahmen stabiler Gesellschaftszustände eine Theorie und Beschreibung langfristiger sozialer Prozesse, zeigte die Verflochtenheit von Wandlungsprozessen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene und überwand die eifersüchtig bewachten Disziplingrenzen zwischen Psychologie, Soziologie und Geschichtswissenschaft. Entstehung: Seine Arbeit an Über den Prozess der Zivilisation begann Elias nach seiner Exilierung in London, wo er Zugang zur Bibliothek des Britischen Museums hatte. Dort stieß er auf die seit dem Mittelalter überlieferten Manierenbücher als das empirische Instrument, das ihm ermöglichte, langfristige Wandlungen der Trieb- und Affektmodulierung in den europäischen Oberschichten zu beschreiben. Über den Prozess der Zivilisation erschien 1939 in einem Schweizer Verlag, aber erst mit der dritten Auflage 1976 wurde es zu einem wissenschaftlichen Bestseller. Inhalt: Gegenstand des Buchs sind langfristige historische Entwicklungsprozesse in den Bereichen der Persönlichkeits- und der Gesellschaftsstruktur, wobei die Verflechtung beider Bereiche betont wird. Der politischen Entwicklung Europas aus der feudalen Zersplitterung in kleine und kleinste Herrschaftszentren hin zu einer immer weiteren Zentralisierung staatlicher Macht entspricht das Abschneiden der meisten Angehörigen der Oberschichten von einer selbstständigen militärischen Betätigung. Elias beschreibt, wie frühere Fremdzwänge zunehmend zu unbewussten Selbstzwängen umgestaltet werden. Die wachsende Einhegung des Gebrauchs von Messern bei Tisch ist ein Beispiel dafür, wie sich solche Innenzwänge faktisch und symbolisch durchsetzen. Aus Kriegern werden auf diese Weise Höflinge. Das staatliche Monopol militärischer Gewalt und das damit verbundene Monopol der Steuereinziehung ermöglichen dann weitere Zentralisierungsschritte. Aufbau: Elias beginnt seine Arbeit mit einer Diskussion der Unterschiede zwischen den Begriffen »Zivilisation« und »Kultur«, wobei er zeigt, wie sich in Deutschland dieses Begriffspaar im 19. Jahrhundert von einer klassenbezogenen zu einer nationalen Unterscheidung wandelt. Von hier wendet er sich zurück zu den langfristigen »psychogenetischen« Wandlungsprozessen, die vor allem in Frankreich zum Konzept der Zivilisiertheit geführt haben. Im zweiten Band rekonstruiert Elias die mit diesen »psychogenetischen« Prozessen verschränkte »Soziogenese der abendländischen Zivilisation«: vor allem die dem »Monopolmechanismus« geschuldeten Zentralisierungsprozesse. Abschließend synthetisiert er den »soziogenetischen« und den »psychogenetischen« Aspekt in seinem Entwurf einer allgemeinen Theorie der Zivilisation. Wirkung: Unter den Stichworten »Prozess-Soziologie« und »Figurationsstudien« hat der Ansatz von Elias international eine anhaltende Schulbildung bewirkt. Auch die heftige Kritik, die Über den Prozess der Zivilisation durch Hans Peter Duerr (Nacktheit und Scham, 1988) erfuhr, der insbesondere den Prozesscharakter menschlicher Scham durch eine erneute Wesensbestimmung menschlicher Schamhaftigkeit ersetzen wollte, zählt letztlich zu den produktiven Folgen des Buchs von Elias. R. H.

Gegenstand des Buchs sind langfristige historische Entwicklungsprozesse in den Bereichen der Persönlichkeits- und der Gesellschaftsstruktur, wobei die Verflechtung beider Bereiche betont wird. Der politischen Entwicklung Europas aus der feudalen Zersplitterung in kleine und kleinste Herrschaftszentren hin zu einer immer weiteren Zentralisierung staatlicher Macht entspricht das Abschneiden der meisten Angehörigen der Oberschichten von einer selbstständigen militärischen Betätigung. Elias beschreibt, wie frühere Fremdzwänge zunehmend zu unbewussten Selbstzwängen umgestaltet werden. Die wachsende Einhegung des Gebrauchs von Messern bei Tisch ist ein Beispiel dafür, wie sich solche Innenzwänge faktisch und symbolisch durchsetzen. Aus Kriegern werden auf diese Weise Höflinge. Das staatliche Monopol militärischer Gewalt und das damit verbundene Monopol der Steuereinziehung ermöglichen dann weitere Zentralisierungsschritte.  



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