Republik der Sündenböcke

Eine Reise durch ein (un)politisches Land

Von Schubert, Torsten

Driediger, 2013. 207 S. m. 10 Abb. 18,5 cm, KT Maße: 12.3 x 18.6

ISBN: 978-3-932130-30-4

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"Die Politik fährt alles gegen die Wand."

In mehr als 60 Jahren Demokratie in Deutschland haben wir gelernt, Politiker zu Sündenböcken zu machen. Zu Recht?Eine Reise durch unsere (un)politische Gesellschaft lässt Zweifel aufkommen: Eigentlich ist es noch schlimmer. Die meisten Politiker sind sympathische und engagierte Zeitgenossen, die sich für ihre Ziele und die Menschen einsetzen. Doch gegen das System von Macht, Intrigen und Lobbyismus haben sie keine Chance. Informationsflut und Langeweile sind moderne Instrumente heutiger Politik, die zu Verdrossenheit und Abkehr vom politischen Engagement der Bürger führen. Eine Rückkehr zur vitalen, farbenfrohen Streitkultur früherer Jahrzehnte ist derzeit nicht in Sicht. Unsere Gesellschaft befindet sich auf dem Weg in die Postdemokratie. Oder besteht Hoffnung auf Veränderung?

Ich schreibe ein Buch über Politiker, sage ich an einem Freitagnachmittag zufällig am Telefon zu einem Bekannten."Dann musst du unbedingt mit der ehemaligen Freundin meines Sohnes sprechen, die ist bei den Grünen aktiv", antwortet der prompt. Später fallen ihm noch ein paar Namen ein, sogar ein Abgeordneter vom europäischen Parlament ist darunter.

In nächster Zeit werde ich während meiner Recherchen immer wieder diesem Phänomen begegnen: Jeder hat einen Nachbarn, einen Sportkameraden oder einen Kollegen, der Politiker ist. Alle wissen sie Geschichten zu erzählen von diesen Volksvertretern, meist sind es unrühmliche Episoden, selten schwingen Lob oder Anerkennung mit. Häufiger werden Witze gerissen über Politiker, viele gehen unter die Gürtellinie.

Ablästern macht Spaß, hält Gruppen zusammen. "Ein Stammtisch zum Beispiel lebt davon, dass dort ordentlich auf den Putz gehauen wird", meint Norbert Wiersch. Der Kommunikationsberater, Coach und Trainer aus Münster glaubt, dass es zwischen Bürgern und Politikern eine Hassliebe gibt. "Trotz Wahlmöglichkeit ist die Ansicht weit verbreitet, mit der eigenen Stimme eigentlich nichts bewirken zu können", behauptet er. "Das Risiko, die eigene Unfähigkeit zu erkennen, wenn man selbst in der Politik aktiv ist, wollen die meisten Kritiker indes nicht eingehen."Für jeden von uns hat die Welt eine gewisse Logik. Das Fatale: "Diese Logik ist eine ganz individuelle, wir legen uns die Welt so zurecht, wie wir sie für unser Selbstbild brauchen", weiß der Psychologe. Dazu vereinfachen wir oft Sachverhalte, ordnen sie in ein globales Gut-Schlecht-Schema ein und ersetzen mangelnde Detailkenntnisse durch Vorurteile, persönliche Meinungen und besserwisserische Parolen. Alles in allem eine explosive Mischung für politische Diskussionen und Politikerschelte ergänzt und aufgeladen durch eine Berichterstattung in den Medien, die nicht selten mit negativen emotionalen Gefühlen spielt. "Pauschale Urteile befreien", sagt Norbert Wiersch und verweist auf die wiederkehrenden "Expertengespräche" zum Fußballwochenende. Jeder sei der bessere Trainer und würde selbst die meisten Tore schießen. "Auch hier mehr einhellige Kritik als kollektives Anerkennen von Leistung", konstatiert der Kommunikationsprofi. "Und ganz ehrlich", ergänzt er mit einem verschmitzten Lächeln, "lobende Stammtische sind einfach langweilig."Politiker scheinen eine Art kollektives Störgefühl auszulösen, weil sie ständig alle möglichen, sich eigentlich widersprechenden Ansichten vertreten und Entscheidungen treffen müssen. Psychologen bezeichnen einen solchen Konflikt als einen Zustand "kognitiver Dissonanz". Gleichzeitig sind Volksvertreter immer und überall präsent: in Talkshows genauso wie in der heimischen Kneipe und sogar der eigenen Familie. Sie buhlen, so könnte man meinen, jederzeit um Bekanntheit, Anerkennung und Zuneigung.
Doch das ist der vorurteilsbeladene Blick von außen. Sind Politiker wirklich geltungssüchtige Egomanen, die keine Meinungen neben der eigenen gelten lassen? Sind sie Selbstdarsteller, die das Publikum brauchen und dem Volk deshalb nach dem Mund reden, um es noch im selben Atemzug opportunistisch zu betrügen? Denken sie stets nur an ihre eigenen Vorteile und den Schaden, den sie dem politischen Gegner zufügen?

Autor/in:

Torsten Schubert war lange Wirtschaftsjournalist und Ressortleiter bei "Impulse". Derzeit ist er Pressesprecher einer großen börsennotierten Unternehmung in Hamburg.



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