Die Intonation des Geigers

Orpheus-Verlag, 371 S.

ISBN: 978-3-922626-52-7

32,00 €

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Zwei Fakten, der Musikwissenschaft an sich seit jeher bekannt, beginnen sich herumzusprechen und einer breiteren Öffentlichkeit bewusst zu werden: – dass die gleichstufige Temperierung, mit der man die Tonvielfalt auf zwölf Töne in der Oktave begrenzen wollte, nicht aushörbar und damit auch nicht ausführbar ist und – dass das heute übliche Dauervibrato unhistorisch ist und in den großen Zeiten der Musik verpönt war. Es sind unbequeme Fakten, unbequem, weil sie der heutigen Musizierpraxis gewissermaßen die Geschäftsgrundlage entziehen und in ein Handeln einmünden müssten, zu dem man sich aber nur ungern verstehen wird. Dabei ist ein historisch getreues Musizieren große Mode. Der Geiger, überhaupt jeder Streicher, der sich nun anschickt, das Vibrato zu meiden, sieht sich aber dann dem anderen Faktor konfrontiert. Die Vorstellung, dass man mit zwölf Tonhöhen in der Oktave sein Auslangen habe, nutzt ihm nichts. Das von keinem Vibrato getrübte Tonbewusstsein des Hörers erspürt jede Unreinheit, jede Abweichung von den im Notentext niedergelegten reinen Intervallen. Ein Mozart, Beethoven, Brahms komponierte keine temperierten Terzen, Quinten, Septimen, sondern reine, und der Hörer erwartet sie. Das Ohr hört im Sinne der kleinen ganzzahligen Verhältnisse der reinen Stimmung. Alle Intervalle unseres Konzertrepertoires lassen sich auf wenige Grundintervalle zurückführen: auf die Oktave 1:2, die Quinte 2:3, die große Terz 4:5 und die kleine Septime 4:7. Alle anderen Intervalle sind aus diesen vier Grundintervallen gebildet. Es sind allerdings sehr viele. Das macht ihre Handhabung so schwierig. In dieser Fülle, in diesem Reichtum liegen aber auch die Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung der Musik. Es wird einmal wieder sehr „schön“, sehr „interessant“, ja auch neuartig klingen.



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